100 Jahre Posaunenchor Walldorf
Im Jahr 1925 haben engagierte Mitglieder des CVJM (damals „Christlicher Verein Junger Männer“) einen mutigen Schritt getan, um Glaube, Gemeinschaft und Musik auf besondere Weise zu vereinen. Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war geprägt von Herausforderungen und Unsicherheiten, aber auch von einem tiefen Verlangen nach Hoffnung und Orientierung. Inmitten dieser Umstände fanden sich acht Männer zusammen, die durch die Kraft der Musik etwas Bleibendes schaffen wollten – etwas, das Menschen berührt und den Glauben stärkt.
Das war die Geburtsstunde des Walldorfer Posaunenchors unter der Leitung von Dirigent Johann Willinger und ging in erster Linie auf die Initiative des damaligen Pfarrers Otto Hagmaier zurück.
Aufschwung bekam 1927 der Posaunenchor durch Pfarrer Ludwig Eiermann, der für die Anschaffung von Instrumenten und Notenmaterial sorgte. Die musikalische Leitung hatte inzwischen Musiklehrer Fritz Leutz übernommen. Im Laufe der Zeit wurden neue Bläser ausgebildet, die meisten zogen jedoch die weltliche Musik der kirchlichen vor, so dass immer nur ein kleiner Stamm dem Chor treu blieb.
Auch in der Zeit des Dritten Reiches waren die Bläser aktiv, um mit ihren Instrumenten im Dienst der Verkündigung zu stehen. Vielen Menschen brachte der Posaunenchor in jener schweren Zeit Trost und Hoffnung. Gespielt wurde bei Krankenbesuchen, Beerdigungen, Gefallenen-Gedenkfeiern, bei öffentlichen musikalischen Veranstaltungen und bei kirchlichen Festen. Viele Hochbetagte wurden mit einem musikalischen Ständchen erfreut. Unter der Leitung von Obmann Wilhelm Schleich bewältigte man damals viele Aufgaben.
Nach 1945 übernahm Doktor Gerhard Heller die musikalische Leitung. Durch seine intensive Probenarbeit konnte ein hoher Leistungsstand erreicht werden. Pfarrer Gerd Gorenflo, der 1943 nach Walldorf kam, unterstützte den Posaunenchor in jeder Weise und die Gemeinde förderte die Chorarbeit durch finanzielles Beiträge. Der Bläserchor wurde mit seinem Auftreten bei vielen Anlässen in der näheren und weiteren Umgebung bekannt. Gespielt wurde im Raum Mosbach, Bruchsal und in Neustadt an der Weinstraße. Die Zahl der aktiven Bläser blieb jedoch schwankend, Frauen waren leider bis in die 70er Jahre nicht erlaubt.
Als Doktor Gerhard Heller 1994 den Dirigentenstab abgab, folgten ihm von 1994 bis 1996 Horst Paul Ulrich und von 1996 bis 1998 Kirsten Heinzmann. Ende der 90er Jahre erlebte der Chor unter Dorothea Schaefer einen Aufschwung. Die konsequente Jugendarbeit und die Ausbildung von erwachsenen Jungbläsern wurde von Anke Lazarus bis 2008 fortgeführt, die ebenfalls die Chorleitung innehatte. Danach übernahm Klaus Bernhard die Rolle des Chorleiters, parallel dazu übernahm Johannes Lazarus die Jungbläserausbildung, gefolgt von Ina Osterheld. Seit 2014 leitet Juliane Hötzer den Chor. Klaus Bernhard kümmert sich seit seiner Rückkehr um die Ausbildung der Jungbläser.
Die Chorproben selbst fanden anfangs im alten Gemeindehaus statt, während des zweiten Weltkrieges in den Privaträumen der Familie Wilhelm Schleich, dann ab 1958 im neuen Gemeindehaus. Seit 1971/72 probt der Chor in einem in Eigenarbeit ausgebauten Raum unter dem Kindergarten in der Schulstraße.
Posaunenchöre zeichnet aus, dass generationenübergreifender Zusammenhalt da ist und viele gemeinsame Aktivitäten stattfinden. Die Mitglieder des Chores nehmen regelmäßig an Lehrgängen der Landesarbeit und Aktivitäten im Bezirk teil. Neben den gemeinsamen Konzerten und Lehrgängen waren es früher die Waldfeste im Hochholz, in den letzten 20 Jahren unter anderem die Fahrt in die Partnergemeinde nach Walldorf Werra mit einem spontanen Choralspiel auf der Wartburg, die Besteigung des Monte Süd in Walldorf mit Bergandacht und als ganz besonderes Highlight der mehrtägige Besuch unseres damaligen Chorleiters in Stockholm mit der gemeinsamen Gestaltung des Ostergottesdienstes in der deutschen Kirche. Nach zwei Anläufen in den 50er Jahren fand erstmals 2008 in Leipzig ein erstes gesamtdeutsches Treffen der Posaunenchöre seit über 50 Jahren statt. Der Walldorfer Posaunenchor bildete zusammen mit über 16.000 Mitwirkenden den größten Posaunenchor der Welt, der einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde erhielt. Großartig waren ebenfalls die Bundesposaunentage in Dresden und Hamburg und die Landesposaunentage, zuletzt in Offenburg, Bruchsal und in Mannheim im Rahmen der Bundesgartenschau. Gemeinsame Gänsehauterlebnisse dieser Art sind nicht zu übertreffen und schweißen eng zusammen.
Unterstützt wurde der Chor immer von unseren Pfarrern, nach Pfarrer Gerd Gorenflo reihten sich noch die Pfarrer Fritz Schelling, Manfred Blankenfeld, Harald Pfeiffer, Thomas Löffler, Bernd Höppner und Pfarrerin Wibke Klomp ein. Seit 2020 werden wir von Pfarrerin Henriette Freidhof und Pfarrer Dr. Uwe Boch unterstützt und stark in das Gemeindeleben mit eingebunden.
Auch die Wandlung der Posaunenchorliteratur von den 1920er Jahren bis heute ist ein faszinierendes Thema. In den 1920er Jahren war die Posaunenchorliteratur stark kirchlich geprägt. Choräle aus dem evangelischen Gesangbuch und Volkslieder standen im Mittelpunkt. Werke bekannter Komponisten wie Johann Sebastian Bach wurden in vereinfachten Bearbeitungen gespielt. Heute umfasst die Literatur traditionelle Choräle, moderne Kirchenmusik, populäre Stilrichtungen und sinfonische Bearbeitungen. Die Posaunenchorliteratur hat sich von einer auf Choräle beschränkten, kirchlich geprägten Musiktradition hin zu einer vielseitigen, stilistisch reichen und anspruchsvollen Literatur entwickelt. Während die Basis in der Verkündigung und Gemeinschaft bleibt, sind heutige Posaunenchöre künstlerisch und stilistisch freier und vielfältiger.
Und wussten Sie eigentlich
- dass der Posaunenchor Posaunenchor heißt, obwohl alle möglichen Blechblasinstrumente erklingen? Das ist auf Martin Luther zurückzuführen, der in seiner Bibelübersetzung den Begriff Posaune für laute Blasinstrumente wählte.
- dass die ca. 6500 Posaunenchöre mit ihren 115 000 Mitgliedern in Deutschland Weltkulturerbe sind? Die UNESCO hat den besonderen Wert und Charakter der kirchlichen Posaunenchöre für das kulturelle und gesellschaftliche Leben gewürdigt und sie 2016 in das Bundesweite Verzeichnis „Immaterielles Kulturerbe“ aufgenommen.
Das Blasen im Posaunenchor (so der Kirchenmusiker Ingo Bredenbach) ist weit mehr als nur eine Sonderform des Musizierens: Es ist eine „Anleitung zum Glücklichsein.“
Zurück zum Walldorfer Posaunenchor: was vor 100 Jahren mit 8 Bläsern begann, ist heute ein stolzer Chor mit über 40 aktiven Chormitgliedern im Alter zwischen 9 und 66. Unser heutiger Obmann Thomas Lazarus hält den Chor mit viel Charme, Humor und immer wieder neuen Ideen zusammen. Unermüdlich arbeitet er an der Organisation von Veranstaltungen, die wir als Teilnehmer mit Freuden wahrnehmen, hinter denen sich aber unglaublich viel Arbeit versteckt. Ob Bundesposaunentag in Hamburg oder Probenwochenende in Buchen – alles ist immer perfekt durchdacht.
Neu seit 2024 ist der Förderverein des evangelischen Posaunenchors Walldorf unter der Leitung von Thomas Hagmann, der zu dem Zweck gegründet wurde, die musikalische Arbeit des Posaunenchors und der Jungbläser und Jungbläserinnen in der Evangelischen Kirchengemeinde Walldorf und in der Badischen Posaunenarbeit zu unterstützen. Dies bezieht sich insbesondere auf die gottesdienstliche und konzertante Arbeit des Posaunenchors, die Aus- und Weiterbildung der Chormitglieder, die Unterstützung der Probenarbeit und auf das Zur-Verfügung-Stellen von Instrumenten und Noten.
Das Jahr 2025 steht ganz im Zeichen des Jubiläums und der Vorbereitung auf die verschiedenen Veranstaltungen. Die eigens für uns komponierte Jubiläums-Suite von Matthias Bucher wurde am 9.Februar auf dem Festakt in der Stadtkirche uraufgeführt, viele Veranstaltungen und Konzerte werden folgen.